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2009
Neubau Justizvollzugsanstalt
JVA Heidering
Grossbeeren bei Berlin
Künstlerische Gestaltung des Gebäudes und der Außenanlagen
Projekt DAS DEUTSCHE HANDWERK: „Gestern, Heute, Morgen“
Bausumme: EUR 400 000,-
Land Berlin, Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Senatskanzlei Kulturelle Angelegenheiten, Senastverwaltung für Stadtentwicklung, Senatsverwaltung für Justiz, eingeladener Wettbewerb
Nicht realisiert

Foto/Animation: Hohensinn Architektur ZT GmbH, Graz
Foto/Animation: Hohensinn Architektur ZT GmbH, Graz

Künstlerische Projektbeschreibung

1. Aussenbereich:

Auf den Dächern der drei kreuzförmigen Teilanstalten soll in grossen blauen Leuchtbuchstaben je ein Wort, in Reihenfolge: GESTERN, HEUTE, MORGEN zu lesen sein. Die Wörter sind in südliche Richtung so aufgestellt, dass sie von den Freihöfen, den Arbeitsstätten und von der Magistrale aus sichtbar sind. Die tägliche Leuchtdauer soll mit der Zellenbeleuchtung bzw. den Schliesszeiten in den Gebäuden korrespondieren, so dass die Buchstaben zur Ruhezeit, spätestens gegen 23.00 Uhr, ebenfalls erlöschen.


2. Innenbereich:

In der Magistrale werden entlang der Sichtseite der Brüstung des erhöhten Laufganges Textpassagen angebracht. Diese Textfragmente erstrecken sich über die gesamte Länge der Magistrale. Die Texte zitieren Ausschnitte von Werken der Weltliteratur, die sich im weitesten Sinne mit den drei Begriffen (Gestern, Heute, Morgen) in Bezug auf die Situation der Inhaftierten vor Ort beschäftigen. Die Texte werden mit Metallbuchtaben auf den rötlichen Beton appliziert.


Zu 1., Aussen:

GESTERN - HEUTE - MORGEN
Die drei Begriffe sind elementar in der Lebenssituation der Insassen einer Vollzugsanstalt und beschreiben deren Daseinsrelation. Sie stehen auch stellvertretend für die Dimension Zeit, die Inbegriff für den Vollzug ist und mit dessen variierender Länge für Strafmass und Schwere des Vergehens korrelliert.

GESTERN
Das Gestern beinhaltet die Tat, das Vergehen und das, was zu ihr geführt hat.
Die Verzweiflung, der Affekt, die Planung und Durchführung, der Zufall, die auswegslose Situation. Danach Festnahme, Befragung, Verweigerung, Ablehnung oder Bewusstwerdung, und damit Scham, Schuld und Trauer. Verlust des sozialen Gefüges, des Partners, der Kinder, der Familie, der Freunde.

HEUTE
Ein festes und bestimmtes Maß an Zeit. Einsamkeit, Regeln, starrer Tagesablauf. Die Auseinandersetzung mit der Situation und mit der vergangenen Tat. Die Perspektive auf eine Ausbildung, einen Beruf. Rückblick - und Zukunft.

MORGEN
Freiheit. Die Perspektive eines „normalen“ Lebens. Beziehung, Familie, Beruf, Karriere. Die Sorge, das nicht zu schaffen, die Hoffnung auf Veränderung und Glück.


GESTERN, HEUTE, MORGEN leuchtet in Großbuchstaben auf den Dächern der Zellentrakte. Es schreibt sich ein wie ein Motto, eine Losung für jeden neuen Tag und für das ganze Leben. Die Worte sind so kurz und klein und alltäglich, haben aber hier eine ganz besondere Dimension. Sie beinhalten die Zeit. Die Zeit in einer weitreichenden Spanne, in der das Jetzt nur ein begrenzter Teil ist, eben das Heute. Das Heute kommt und vergeht zwischen den anderen zwei Begriffen. Es wird rechts und links begrenzt, nimmt nur einen gewissen Raum vom Ganzen ein.

Hier steht das HEUTE aber auch in einem zeitlichen Fluss untrennbar von der Herkunft aus dem GESTERN und dem Weitergehen im MORGEN. Oder anders: Aus dem Geschehen (gestern) resultiert die Reflektion (heute), die zur Veränderung (morgen) führen kann. Insofern verdeutlicht und erinnert die gewählte Begriff-Folge vor allem eines: Hoffnung.


Zu 2., Innen:

Die Zusammenstellung der Literaturausschnitte bzw. Zitate orientiert sich inhaltlich  an den „die Zeit“ dokumentierenden Begriffen „Gestern, Heute, Morgen“ im Hinblick auf die Lebenssituation der Lesenden, vor allem die der Inhaftierten.

Alle Textpassagen behandeln im weitesten Sinne Fragestellungen, die mit der gedanklichen Lebenssituation im Vollzug bzw. den vorrausgegangenen Umständen, die zum Vollzug geführt haben, zusammenhängen. Wichtig ist uns eine Auswahl, die sich weder in zu direkter oder „plakativer“ Form, noch „mit erhobenem Zeigefinger“ der Problematik nähert.

Die Textzitate werden sich aus allen Epochen generieren und in nicht chronologischer Reihenfolge auf die Brüstung des Laufganges appliziert.

Jede Textpassage ist am Schluss mit einem Hinweis zum Autor, Titel und Jahr der Ersterscheinung versehen.

Bisher ausgewählte Autoren und Werke: Sophokles („Antigone“), Douglas Adams („Per Anhalter durch die Galaxis“), Franz Kafka („Der Prozess“), Dante Alighieri („Göttliche Kommödie“), Hermann Hesse (Gedichte: „Spuren“), Alfred Döblin („Berlin Alexanderplatz“), Heinrich Heine (Gedichte), William Shakespeare („Hamlet“ / “Sommernachtstraum“), Homer („Odyssee“), Georg Büchner („Dantons Tod“), Alexandre Dumas („Der Graf von Monte Christo“), Fjodor Dostojewski („Die Dämonen“), Bertold Brecht („Mutter Courage“, Gedichte), Simplicissimus u.a.
            

Alle von uns vogeschlagenen Texte sollen gerne und ausdrücklich (!) in enger Abstimmung mit den Trägern, Betreibern und dem Architekten ausgewählt werden.

So entsteht eine 200 Meter lange „Lesewand“. Die Textpassagen lassen sich sowohl vom Innenbereich als auch durch die Glaswand von den Höfen aus lesen. Geplant ist eine Applikation von Metallbuchstaben direkt auf/in den Beton, das Raumbild soll dadurch jedoch nicht aufdringlich geprägt sein, sondern es soll ein „Lese-Angebot“ geschaffen werden.


Technische Projektbeschreibung

1. Aussen, Leuchtbuchstaben:

Schrift-Type: Versalien gerade, serifenlos (Franklin)

Die achtzehn leuchtenden Grossbuchstaben, die die drei Worte Gestern, Heute, Morgen bilden, haben eine Höhe von ca. 2 Metern. Die einzelnen Lettern sind als Kästen aus blauem Kunstoff ausgeführt. Die Leuchtmittel aus LED (Leuchtdioden) sitzen auf rückwärtig montierten Aluminiumblech-Konsolen. Die zu einem Wort zusammengefassten Buchstaben sind auf eine Unterkonstruktion montiert, die nach hinten schräg abgestützt ist. Der jeweilige Schriftzug „schwebt“ optisch etwas erhöht über dem Dach, um die Lesbarkeit von unten zu gewährleisten. Jeder Schriftzug wird separat von einem Transformator gespeist, der ebenfalls in einem witterungsdichten Gehäuse auf dem Dach installiert ist. Zur Stromversorgung benötigt jeder Schriftzug eine seperate abgesicherte Zuleitung, der Querschnitt und die Höhe der Absicherung richtet sich nach der verwendeten Technik. LED-Leuchtbuchstaben haben einen äusserst geringen Stromverbrauch und benötigen demenstprechend keine aufwändige Stromversorgung.

Eine Dämmerungs-Schaltung steuert das An- und Ausschalten der Schriftzüge.

Die Statik der jeweiligen Dachkonstruktion muss bezüglich des aufgebrachten Gewichts berechnet bzw. angepasst sein, Windlastauslegung sowie Stromversorgung sind zu berechnen bzw. zu bearbeiten (vgl. Kostenplan).

Folgekosten: Sehr geringer Stromverbrauch, lt. anbietender Firma: 150W per Schriftzug. Lt. anbietender Firma Reinigungs-/Wartungskosten der Leuchtschriftzüge in Höhe von EUR 2.250,00 / alle 2 Jahre.

2. Innen, Textpassagen:

An der aus rötlichem Beton gefertigten Sichtseite des erhöhten Lauftrogs der Magistrale werden über die gesamte Länge von ca. 200 Metern Metallbuchstaben im Beton appliziert. Diese sind aus Edelstahl / Aluminium gefertigt und rückseitig mit Stehbolzen versehen. Die Buchstaben werden an der Wand in mittels Bohrschablonen vorgebohrten Löchern mit Epoxidharz befestigt bzw. verklebt. Die Buchstabengrösse beträgt 6cm – 20cm, je nach Länge des jeweiligen Textstückes. Zum Umbruch wird zunächst ein/e Grafiker/in hinzugezogen. Die erarbeiteten Daten werden der ausführenden Firma weitergeleitet zur Erstellung der Bohrschablonen. Die Anzahl der Zeichen ca. 10.000, die Schrifttype serifenlos. Mögliche urheberrechtliche Ansprüche bzgl. der Textpassagen werden geprüft und sind im Kostenplan berücksichtigt.

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